Regeln für Bürgerbeteiligung.

Regeln für Bürgerbeteiligung.

Immer wieder werden wir danach gefragt.

Gerne empfehlen wir Ihnen bei uns direkt nachzufragen, wie das schon viele tun, denn Fragen kostet nichts.

Hier eine paar Grundlagen zum einarbeiten:

Bürgerbeteiligung unterstützt stets laufende Prozesse in der Gemeinde- und Stadtentwicklung. Sie nutzt dafür das lokale Wissen der Menschen. Abzugrenzen ist sie vom Mitentscheiden. Das ist die Direkte Demokratie. Dort geht es um Ja oder Nein. Die Bürgerbeteiligung dagegen kümmert sich um Alternativen, um Ideen möglichst vieler. Das ist der entscheidende Gewinn. Nötig ist, offen für Änderungen zu sein. Die wertschätzende Sprache ist dabei elementar. Bürgerbeteiligung kann Akzeptanz für ein Projekt erhöhen. Sie zielt aber nicht auf Akzeptanz, sondern auf Transparenz. So hilft die Bürgerbeteiligung, wichtige Aspekte früh zu erkennen. Wichtig dabei ist eine Anerkennungskultur aufzubauen und zu pflegen und dazu ein jeweiliges “Erwartungsmanagement” zu entwickeln. In der Zusammenarbeit mit der ehemaligen Staatsrätin Gisela Erler haben wir 8 Punkte formuliert:

1.        Handlungsoptionen

To Do: Identifizieren Sie, wo Spielräume liegen. Bitte starten Sie eine Bürgerbe- teiligung nur dort, wo es echte Optionen gibt – und wo Sie auch innerlich offen für Anregungen, Ideen, Änderungen sind.

Sinn: Bei bereits festgelegten Sachverhalten kann man nur informieren, nicht beteiligen.

2.        Umfeldanalyse

To Do: Beginnen Sie die Bürgerbeteiligung mit einer graphischen Übersicht – thematisch („Themenlandkarte“) und personell („Akteurslandkarte“). Was sind die wichtigsten Themen und Unterthemen, was sind die wichtigen Multiplikatoren („Stakeholder“)?

Sprechen Sie uns gerne auf die vielen Beispiele von laufenden Projekten an.

Sinn: Die Visualisierung ist für Sie und – später – für die Öffentlichkeit hilfreich, um die vielen Schattierungen eines Themas zu erkennen. Denn oft werden Einzelinteressen (und damit ein Unterthema) mit dem Gemeinwohl gleichgesetzt. Meistens hat die Verwaltung gute Gründe – die aus Ängst- lichkeit viel zu wenig kommuniziert werden.

3.        Informelles Vorgehen

To Do: Gehen Sie parallel zum förmlichen Verfahren informell vor. Schaffen Sie neben dem förmlichen Verfahren geschützte Gesprächsräume. Vermei- den Sie Groß-Veranstaltungen. Kleine Gruppen oder Telefonate schaffen Vertrauen.

Sinn: Verwaltungen tun sich schwer mit informellem Vorgehen. Das ist aber zu- lässig. Informelles Handeln entlastet die förmlichen Verfahren. In den rechtlichen Verfahren können Sie nicht über die Hidden Agenda spre- chen.

4.        Beteiligungs-Scoping

To Do: Gemeinsam entwerfen Sie mit Stakeholdern (siehe oben) den Fahrplan für die Bürgerbeteiligung. Dieser Fahrplan sollte dann im Internet veröf- fentlicht und zur Diskussion gestellt werden. Auch die Themen- und Akteurslandkarten sollten veröffentlicht werden. Die Öffentlichkeit soll diese Landkarten ergänzen: Was fehlt inhaltlich? Hat man wichtige Akteure übersehen?

Sinn: Bereits beim Verfahren, also der Bürgerbeteiligung an sich, braucht es Optionen. Der Vorwurf, die Bürgerbeteiligung sei nur „Alibi“, kommt zwar immer. Aber wenn es schon hier Optionen gibt (z.B.: Wer wird Moderator? Braucht es eine Info-Veranstaltung mit Gutachtern? Zu welchen Uhrzeiten findet die Bürgerbeteiligung statt? Erläuterung der Methode Zufallsbürger usw.), lässt sich das entkräften.

5.        Zufallsbürger

To Do: Nutzen Sie die Methode der zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürger.

Sinn: Bei der Bürgerbeteiligung sind oft ältere, gebildete Herren ab 60 Jahren sowie Lobbygruppen aller Art (Wirtschaftsverbände, Bürgerinitiativen, Umweltverbände usw.) dabei. Es geht aber um Bürgerbeteiligung, nicht um Interessenten-Beteiligung. Deshalb ist es sinnvoll, mit Hilfe der Zufallsauswahl eine gut gemischte Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern zu Akteuren der Bürgerbeteiligung zu machen. Das hat den Vorteil, das z.B. zu 50% Frauen dabei sind. Und es sind Menschen dabei, die nicht persönlich betroffen sind. Bürgerbeteiligung kann somit auch die Stillen aktivieren. In diesem Umfeld lässt sich sachlicher diskutieren.

Achtung: Verbände und Interessengruppen lehnen die Bürgerbeteiligung und v.a. die Zufallsbürger oft vehement ab. Denn sie sehen ihre eigene Experten- Rolle dadurch gefährdet – selbst dann, wenn die Bürgerbeteiligung die Stakeholder und die Zufallsbürger gemeinsam einbezieht. Bürgerinitiativen lehnen in der Regel die Bürgerbeteiligung sogar komplett ab, weil es dort meistens nur um das „Wie“, nicht um das „Ob“ geht. Bürgerinitiativen bevorzugen die Direkte Demokratie, die Abstimmung mit Ja oder Nein.

Das ist etwas ganz anderes als Bürgerbeteiligung, die die thematische Pluralität würdigt.

6.        Laufende Kommunikation

To Do: Beginnen Sie so früh es geht mit der informellen Kommunikation. Die Kommunikation darf niemals abbrechen. Kommunikation sorgt für Transparenz. Seien Sie dankbar für jede kritische Eingabe. Das ist nur ein weiteres Angebot zum Gespräch. Bleiben Sie sichtbar, auch wenn scheinbar nichts passiert, z.B. durch Newsletter, Hotlines oder Ombudspersonen.

Transparenz schützt. Nur mit bedingungsloser Transparenz können Sie den üblichen Mythen und Gerüchten begegnen. Ein wichtiges Hilfsmittel dafür ist die Begleitgruppe. Sie besteht aus einigen bereitwilligen Stakeholdern und Bürgerinnen und Bürgern, die ein Scharnier zwischen Vorhabenträger / Verwaltung und Öffentlichkeit bilden. Die Begleit- oder Beteiligungsgruppe kümmert sich nur um das Verfahren, vor allem um die Transparenz und die Kommunikation. Begleitgruppen können Gerüchte aufspüren und Aufklärung organisieren.

Sinn: Vor allem für Betroffene, aber auch für Mitwirkende erscheinen staatliche oder private Vorhabenträger übermächtig. Die empfundene Ohnmacht findet ihr Ventil in Verschwörungstheorien, Betrugsvorwürfen und Ge- rüchten. Dem können Sie mit laufender Kommunikation und Transparenz begegnen.

7.        Hidden Agenda

To Do: Erkunden Sie immer die versteckten Motive. Viele Menschen wollen über ihre wahren Gründe für Widerstand und Protest gar nicht reden. Deshalb werden häufig der Naturschutz oder andere, vor allem rechtliche getriebene Argumente, vorgetragen. Aktives Zuhören hilft und funktioniert! Ferner ist Wertschätzung auch für solche versteckten Motive geboten.

Sinn: Über Positionen lässt sich kaum verhandeln. Der mediative Ansatz ist besser. Wenn die Interessen klar sind, lassen sich eher win-win- Situationen finden.

8.        Resonanz

To Do: Geben Sie sich Mühe mit den Antworten. Begründen Sie umfassend. Geben Sie sofort eine Zwischenantwort, wenn die endgültige Antwort noch dauert. Formulieren Sie bitte verständlich – ohne Nominalstil, in kurzen Sätzen.

Sinn: Die Resonanz ist die andere Seite des Gehörtwerdens. Eine wertschät- zende Antwort zeigt, dass die Befindlichkeiten, Wünsche und Ideen der Bürgerinnen und Bürger gewürdigt werden. Ziel ist nicht die Ergebnisak- zeptanz. Viele Menschen werden dem Projekt ablehnend gegenüberste- hen, auch wenn noch so gut geantwortet wird. Ziel der Bürgerbeteiligung ist die Verfahrensakzeptanz. Das erreichen Sie mit schnellen, wertschät- zenden und umfassenden Antworten.

Hier eine gute Quelle zum Stöbern:

https://beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de/

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